Investiturpredigt zu Johannes 2

Ein Sprichwort sagt: "Du hast nie eine zweite Chance, einen ersten Eindruck zu machen."So ist es: Wenn man irgendwo neu anfängt, insbesondere in einem öffentlichen Amt, wenn man die erste Predigt im neuem Amt hält, dann schaut die Öffentlichkeit genau hin: Was sagt er oder sie und was macht er (oder sie) als Allererstes? Der Anfang hat oft was Zeichenhaftes, Programmatisches.

Nein, es geht heute nicht um mich.Auch wenn es heute meine Antrittspredigt ist und Sie vielleicht tatsächlich neugierig sind, was sagt sie jetzt. Heute geht es um Jesus und eine Geschichte, die eine meiner liebsten ist. Aus Johannes 2 (Basisbibel)

Am dritten Tag fand in Kana in Galiläa eine Hochzeit statt. Auch die Mutter von Jesus nahm daran teil. Jesus und seine Jünger waren ebenfalls zur Hochzeitsfeier eingeladen. Während des Festes ging der Wein aus. Da sagte die Mutter von Jesus zu ihm: „Sie haben keinen Wein mehr“ Jesus antwortete ihr: „Was willst du von mir Frau“ Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Doch seine Mutter sagte zu den Dienern: Tut alles, was er euch sagt. Dort gab es auch sechs große Wasserkrüge aus Stein. Die Juden benötigten sie, um sich zu reinigen. Jeder Krug fasste zwei bis drei Eimer. Jesus sagte zu den Dienern: „Füllt die Krüge mit Wasser.“ Die füllten sie bis zum Rand. Dann sagte er zu ihnen: „Schöpft jetzt etwas heraus und bringt es dem Festmeister. Sie brachten es ihm. Als der Festmeister einen Schluck davon trank, wart das Wasser zu Wein geworden. Er wusste natürlich nicht, woher der Wein kam. Aber die Diener, die das Wasser geschöpft hatten, wussten Bescheid. Da rief der Festmeister den Bräutigam zu sich und sagte zu ihm: Jeder andere schenkt zuerst den guten Wein aus. Und wenn die Gäste dann angetrunken sind, folgt der weniger Gute. Du hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten. Das war das erste Zeichen.

Das erste Zeichen Jesu.Jesus ist da – er ist ein Gast, der Eingeladene.Er ist mitten unter den Menschen und feiert mit.Das kommt an dieser Stelle etwas überraschend.Johannes der Täufer hatte ihn ganz anders angekündigt: „Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Darum:jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.“

Währenddessen besucht Jesus eine Hochzeit, feiert das Leben und die Fülle. Noch bevor er überhaupt eine einzige Predigt hält, bevor er einen einzigen Menschen heilt oder eine Axt an den Baum anlegt, geht er zu einer Party und verwandelt Wasser in Wein.

Und für mich persönlich ist diese Geschichte eine kleine Rettung. Ich bin mehr mit Drohbotschaften aufgewachsen als mit Frohbotschaften.Spaß und Freude waren ziemlich verpönt.Das Schöne und das Fröhliche im Leben wurde sehr misstrauisch beäugt.Leichtigkeit und Genuss? Fehlanzeige.Disko oder Party? Das war nur etwas für die da draußen in der Welt. Ich musste mich ja auf das Kommen Jesu vorbereiten. So, wie Johannes der Täufer es ankündigte. Ich gebe zu, das ist schon ein paar Jahre her, und auch ein bisschen zu plakativ.Aber meine geliebte reformierte, pietistisch geprägte Tradition der Böhmischen Brüder hat oder hatte eben auch ihre Haken. Aus Gründen.Immer wieder standen die Protestanten in Böhmen und Mähren unter Druck und Verfolgung. Der Dreißigjährige Krieg vernichtete nahezu ihre Existenz, trieb sie ins Exil (so auch meine eigenen Vorfahren), auch später blieben sie illegal und der Kommunismus im 20. Jahrhundert tat das seine dazu.Da muss man zusammenhalten, da muss man sich auf das Wesentliche konzentrieren, sich nicht zerstreuen, nicht der Außenwelt anpassen, sondern das Ziel und das Vorbild Jesu, wie es in der Bibel steht, vor Augen behalten. Für mich war es damals ein großes Dilemma. Muss der Glaube wirklich so eng und so freudlos sein?

Ich bin Jesus so dankbar, dass er ausgerechnet mit diesem Zeichen als erstes an die Öffentlichkeit tritt.

Jesus ist auf der Hochzeit, um zu feiern. Wäre er ein Asket gewesen, hätte es niemand gewagt, so etwas wie eine Hochzeit mit ihm in Verbindung zu bringen. Er ist nicht gekommen, um den Menschen das Feiern zu verleiden. Nicht, um zu moralisieren oder ein gemäßigtes, asketisches oder freudloses Verhalten zu fordern. Auch nicht, um zu erklären, wie eine richtige Ehe aussehen soll, sondern um zu feiern, um sich mitzufreuen, um mit dem Brautpaar anzustoßen. Und sie feiern so lange und so viel bis der Wein ausgeht.

Plötzlich gibt es ein Mangel, die Freude bekommt Risse. Und Jesus verhindert die Katastrophe (und ja, für die damalige Hochzeitsgesellschaft war es eine Katastrophe) er verhindert sie dadurch, dass er seinen Wein zur Verfügung stellt. Er füllt die leeren Gefäße mit dem Wein der Hoffnung, mit dem Wein der Zukunft. Ganz im Verborgenen, Inkognito kommt hier Gottes Herrlichkeit in diese Welt. 

Und es gehört zur feinen Ironie der Geschichte, dass die zentrale Botschaft nicht Jesus selbst spricht, sondern irgendein Weddingplanner oder Mundschenk. Und er sagt keine erhabenen oder vornehmen Worte, sondern absurderweise einen Satz, der unter Gastronomen mit Augenzwinkern gesagt wird: Jeder andere schenkt zuerst den guten Wein aus. Und wenn die Gäste dann angetrunken sind, folgt der weniger Gute. Du hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten.

Der gute Wein kommt zum Schluss.  Als würden hier schon die ersten Strahlen des Himmelreichs durchscheinen. Hier beginnt etwas Großes. 

Wie wichtig solche Zeichen im Leben sind, wie wichtig auch das Feiern, die Gemeinschaft und das Miteinanderteilen sind – wir fühlen es in dieser Pandemie besonders. Was alles fehlt!

Aber auch: was alles da ist. Gottesdienste, das Gebet, selbst das Musizieren geht digital, Ich bin sogar davon überzeugt, dass es möglich ist, online auch Gemeinschaft beim Abendmahl zu erleben.

Und doch: wie gerne würde ich heute mit Ihnen Abendmahl ganz analog feiern, als Stärkung für den Weg, der vor mir liegt, als Stärkung für die Aufgaben, die auf mich warten. Mit Ihnen hier im Kreis stehen und das Gefühl erleben, ich gehöre zu dieser Gemeinschaft, hier sind Menschen, die an mich denken, mich begleiten und für mich beten.Und wie gerne würde ich nachher beim Glas Wein mit Ihnen ganz frei ins Gespräch kommen und mich austauschen.Leider geht es nicht. Aber so ist das Leben. Es gibt Durststrecken im Leben – manchmal im wahrsten Sinne des Wortes. Jetzt ist es so eine.

Und ich habe die Hoffnung und den Glauben: Jesus ist trotzdem unter uns – noch irgendwie im Verborgenen, Inkognito. Jetzt ist er da. Wir schauen uns an durch den Bildschirm. Sind verbunden. Ich weiß: viele denken an mich, auch wenn sie nicht da sein können. Sie beten für mich. Ich wurde gesegnet.

Ich bin sicher: der Tag wird kommen, an dem wir wieder tanzen, uns umarmen und miteinander feiern bis zum Morgengrauen. Der Tag, an dem wir mit allen zusammen an einem Tisch sitzen, alle Haushalte und jede und jeder darf anstoßen und singen und fröhlich sein.

Und vor allem glaube ich: Der Tag wird kommen, an dem Jesus ganz sichtbar bei uns sein wird. Er wird uns den Wein des Lebens einschenken. Den besten, den es gibt. Amen 

Fürbittegebet +Vater unser

Gott, wir hören von deinen Zeichen und Wundern.
Wasser hast du in Wein verwandelt
Kranke hast du gesund gemacht und Tote zum Leben erweckt.

Ich will mich Gott, nicht in deine Arbeit einmischen, aber schau dir diese Welt an – es ist noch so viel zu tun. So viele Menschen hoffen jeden Tag auf ein Wunder. Wir bringen dir die Not dieser Welt und legen sie in deine Hände:

Wir bitten dich für die Kleinsten, die ihre Freundinnen und Freunde vermissen und wieder unbeschwert spielen wollen und für ihre Eltern, die zwischen Kinderbetreuung, Homeschooling, Homeoffice und Hausarbeit mit den Nerven am Ende sind.

Wir bitten dich für Jugendliche, die gerade keine Perspektive sehen, auf sämtliche Partys und Spaß verzichten müssen, nicht wissen, wohin mit ihrer Aggression und Wut.

Wir bitten für alle, die in Kurzzeit oder gar arbeitslos sind und nicht wissen, wie sie am Ende des Monats über die Runden kommen sollen.

Wir bitten für die Alten, Kranken und Gebrechlichen, die um ihre Gesundheit und ihr Leben fürchten. Für die Pflegenden und Ärztinnen und Ärzte, die am Ende ihre Kräfte und Kapazitäten sind.

Wir bitten für Menschen in den Flüchtlingslagern, auf der Flucht, in den Schlauchboten im Mittelmeer, in den Kriegen dieser Welt.

Ach Gott, die Aufzählung hört gar nicht auf – du kennst uns alle, du weißt, was wir brauchen. Halte uns in deiner Hand, schicke uns Engel, die uns begleiten und tragen, erfülle uns mit deinem Geist der Freude und der Zuversicht, schenke uns der Wein des Lebens und der Hoffnung ein.

Gott verlass uns nicht. Bitte. Amen

Kommentare

  1. Ich warte getrost auf den Tag mit dem guten Wein, hoffe, glaube, zweifle, bete... Trinke den schlechten und oft den muttelguten Wein.
    ... Aber bin doch irgendwie auch sicher, der noch besse Wein wird kommen! Die Zeit, in der wir wieder alle gemeinsam am Tisch sitzen, uns freuen und lachen, singen, tanzen und sauguten Wein trinken... Sie wird kommen!
    Danke für die mutmachenden und energiegeladen Worte!
    Und eine gute, erfüllte (Warte)LebensZeit!

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