Advent auf Kuba - Hoffnung im Dunkel
„Stellen Sie sich vor, es ist Advent und niemand bemerkt es. Sie laufen durch die nächtlichen Straßen… es ist dunkel… keine Lichterbögen und keine Weihnachtspyramiden erhellen die Fenster. Nirgends erfüllt der Duft von frisch gebackenen Plätzchen die Wohnzimmer. Eine traurige Szenerie? Ich finde es sogar eine albtraumhafte Szene“, schreibt Pfarrer Nikolai Opifanti in seiner Kolumne im Evangelischen Gemeindeblatt zum 1. Advent.
Eine solche Szene ist auf Kuba bittere Realität – nicht nur in der Adventszeit. Stromausfälle gehören zum Alltag, Lebensmittel und Treibstoff sind knapp, und ein festlicher Advent scheint in weiter Ferne. Doch wie predigt man in einer solchen Zeit von Licht und Hoffnung? Wie lässt sich ein Glaube an einen liebenden Gott vermitteln, wenn das Licht am Ende des Tunnels fehlt?
Diese Fragen habe ich den Menschen auf Kuba gestellt. Ihre Antworten sind Geschichten von Resilienz, Kreativität und dem Glauben, dass Nichtstun keine Option ist.
Kino und der Zentrale der kommunistischen Partei. Darüber hängt ein riesiges Banner mit einem Zitat Fidel Castros: „Die Partei verkörpert die Träume aller Revolutionäre.“ Anais, Pfarrerin der Gemeinde, hat einen anderen Traum: „Dass Menschen wieder Hoffnung haben.“ Anais, die ursprünglich Lehrerin war, arbeitete lange im staatlichen Bildungssystem, bevor sie Theologie studierte. „Ich habe gemerkt, was die Menschen brauchen, ist die Hoffnung des Glaubens“, sagt sie. Mit ihrem Mann Gustavo, einem IT-Techniker, betreut sie die Gemeinde, die während der Stromausfälle zur Zuflucht für viele wurde.
„Während des ersten großen Blackouts kamen die Menschen und fragten: ‚Gibt es frisches Wasser? Gibt es etwas zu essen?‘“, erinnert sich Anais. „Ich habe gesagt: Heute ja. Was morgen ist, wissen wir nicht, aber heute ja.“ Sie und ihr Mann verteilten frisches Wasser, das sie in der kircheneigenen Anlage aufbereiten, und kochten alles, was sie hatten. Über 160 Menschen kamen zusammen. „Es geht darum, im Hier und Jetzt etwas zu tun“, sagt Anais. „Wenn wir sehen, dass Menschen Hoffnung schöpfen, gibt uns das die Kraft, weiterzumachen.“
„Wir haben hier eine weiße, konservative Gemeinde vorgefunden“, erzählt Sarai. „PoC-Menschen werden unsichtbar gemacht. Schon im Kindergarten erleben Kinder Rassismus. Die Geschichte Kubas ist eine Geschichte der Weißen: Die einheimische Bevölkerung wurde ausgerottet, und die Schwarzen wurden als Sklaven importiert. Über die Befreiungskämpfe der Sklaven und die Geschichte der Schwarzen wird nicht gesprochen.“
Mit Sarai hat sich die Gemeinde in den letzten zwölf Jahren verändert. Heute spricht man offen über die Erfahrungen von PoC-Menschen, feiert Feste zur Stärkung ihrer Identität und zeigt Kindern, dass sie nicht gezwungen sind, ihre Haare oder ihren Körperbau anzupassen. „Es ist ein langsamer Prozess“, sagt sie, „aber in Gottes Augen sind wir alle gleich wertvoll.“
betroffen. Um den Touristen in den Hotels eine stabile Stromversorgung zu garantieren, wird in den umliegenden Wohngebieten der Strom oft noch häufiger abgeschaltet. „Der Staat weiß genau, dass die Menschen hier nicht rebellieren werden. Sie haben keine Kraft mehr“, erzählen uns vier Frauen, die uns bei unserem Besuch empfangen.
Diese vier Frauen –Ärztin Ludmila, Tierärztin Aldeyeni, Erzieherin Susset und Architektin Yohani – haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Not der Menschen in Santa Marta zu lindern. Sie besuchen Familien zu Hause, organisieren Lebensmittel und Medikamente und kümmern sich um die Bildung der Kinder. Die Strecken zwischen den Dörfern legen sie meist zu Fuß oder mit dem Roller zurück, manchmal nehmen sie hilfsbereite Dorfbewohner mit.
Ein besonders eindrucksvolles Projekt ist die kircheneigene Farm, die unter der Leitung der Tierärztin Aldeyeni steht. Auf 26 Hektar Land, das die Kirchengemeinde bewirtschaftet, haben sie 2000 Bananenstauden gepflanzt und mit Hilfe von Partnerkirchen 25 Kühe angeschafft. Die Farm hat eine doppelte Funktion: Ein Teil der Produkte wird verkauft, um dringend benötigte Mittel für die Kirchengemeinde zu generieren, während der größere Teil an bedürftige Familien verteilt wird.
„Milchprodukte sind in Kuba Mangelware“, erklärt Aldeyeni. „Vor allem Kinder leiden darunter, da ihre Ernährung oft einseitig ist. Durch die Farm können wir zumindest den ärmsten Familien regelmäßig Milch geben.“ Neben der Milch kümmern sie sich auch um die Verteilung von Bananen und anderen Erzeugnissen an die Menschen, die es am nötigsten brauchen. Doch der Betrieb der Farm ist nicht einfach. Immer wieder gibt es Probleme mit der Versorgung von Futtermitteln und der Pflege der Tiere. Die Frauen arbeiten mit wenigen Mitteln, improvisieren und finden kreative Lösungen, um den Betrieb am Laufen zu halten. „Wir tun, was wir können, aber oft sind es kleine Wunder, die uns durchhalten lassen“, sagt Aldeyeni. Die Frauen wissen, dass ihre Arbeit nicht nur lebensnotwendige Unterstützung bietet, sondern auch ein Zeichen der Hoffnung ist. „Wir können die Krise nicht lösen, aber wir können den Menschen zeigen, dass sie nicht allein sind“, sagen sie.
Trotz dieser Umstände lassen sich die Frauen, die ich getroffen habe, nicht entmutigen. Sie akzeptieren den Status quo nicht, sondern suchen nach Wegen, die Situation in ihren Gemeinden zu verbessern. Trotz staatlicher Restriktionen und internationaler Isolation schöpfen sie aus ihrem Glauben und ihrer Gemeinschaft die Kraft, weiterzumachen. ‚Im Tun und Dienen liegt der Sinn des Lebens‘, sagt Anais. Diese Worte sind ein Zeugnis der Menschen auf Kuba, die auch inmitten von Dunkelheit und Hoffnungslosigkeit kleine Lichter der Zuversicht entzünden. Besonders Frauen tragen die Last der täglichen Herausforderungen und sorgen dafür, dass Kuba nicht in Dunkelheit versinkt. Sie sind es, die den Funken der Hoffnung am Leben erhalten – das wahre Licht in den dunkelsten Momenten.“
Eine solche Szene ist auf Kuba bittere Realität – nicht nur in der Adventszeit. Stromausfälle gehören zum Alltag, Lebensmittel und Treibstoff sind knapp, und ein festlicher Advent scheint in weiter Ferne. Doch wie predigt man in einer solchen Zeit von Licht und Hoffnung? Wie lässt sich ein Glaube an einen liebenden Gott vermitteln, wenn das Licht am Ende des Tunnels fehlt?
Diese Fragen habe ich den Menschen auf Kuba gestellt. Ihre Antworten sind Geschichten von Resilienz, Kreativität und dem Glauben, dass Nichtstun keine Option ist.
Ein Kindergarten aus dem Nichts
Odilaisy ist studierte Informatikerin, zweifache Mutter und Pfarrfrau. Sie lebt mit ihrem Mann Pfarrer Yoelkis, und ihren zwei Söhnen in Guanabacoa, einem Stadtteil Havannas abseits der Touristenströme. Als sie nach der Geburt ihres Sohnes keinen Kindergartenplatz fand, beschloss sie kurzerhand, selbst einen zu gründen – getragen von der Kirchengemeinde.Während der Pandemie entstand im Garten neben der Kirche ein einfaches Gebäude, gebaut von Odilaisy, ihrem Mann und vielen Ehrenamtlichen. „Gott war immer mit dabei“, erzählt Odilaisy, während sie die Hürden beschreibt, die sie überwinden mussten: Baumaterial zu besorgen in einem Land, wo selbst Grundnahrungsmittel wie Tomaten ein Vermögen kosten, war fast unmöglich. Woher sie die Kraft nahm, frage ich sie. Odilaisy lächelt, zeigt nach oben und sagt: „Es gab viele Wunder.“ Heute bietet das „Ministerio Biblico Infantil“, das nach dem Montessori-Prinzip arbeitet, Platz für 40 Kinder. Statt als Kindergarten zu firmieren, ist es offiziell eine kirchliche Aktivität – eine rechtliche Notwendigkeit in Kuba, wo das Bildungssystem komplett unter staatlicher Kontrolle steht. Odilaisy führt mich durch die Räume. Sie zeigt die Möbel, die sie mühsam selbst organisiert hat, und den kleinen Garten, in dem die Kinder spielen. Doch die Arbeit ist nicht vorbei: „Eine Solaranlage auf dem Kirchendach würde uns unabhängig machen und die Stromversorgung sichern“, sagt sie entschlossen.
Licht in den Blackouts
In Matanzas, 100 Kilometer östlich von Havanna, steht die Kirche von Anais zwischen einem großenKino und der Zentrale der kommunistischen Partei. Darüber hängt ein riesiges Banner mit einem Zitat Fidel Castros: „Die Partei verkörpert die Träume aller Revolutionäre.“ Anais, Pfarrerin der Gemeinde, hat einen anderen Traum: „Dass Menschen wieder Hoffnung haben.“ Anais, die ursprünglich Lehrerin war, arbeitete lange im staatlichen Bildungssystem, bevor sie Theologie studierte. „Ich habe gemerkt, was die Menschen brauchen, ist die Hoffnung des Glaubens“, sagt sie. Mit ihrem Mann Gustavo, einem IT-Techniker, betreut sie die Gemeinde, die während der Stromausfälle zur Zuflucht für viele wurde.
„Während des ersten großen Blackouts kamen die Menschen und fragten: ‚Gibt es frisches Wasser? Gibt es etwas zu essen?‘“, erinnert sich Anais. „Ich habe gesagt: Heute ja. Was morgen ist, wissen wir nicht, aber heute ja.“ Sie und ihr Mann verteilten frisches Wasser, das sie in der kircheneigenen Anlage aufbereiten, und kochten alles, was sie hatten. Über 160 Menschen kamen zusammen. „Es geht darum, im Hier und Jetzt etwas zu tun“, sagt Anais. „Wenn wir sehen, dass Menschen Hoffnung schöpfen, gibt uns das die Kraft, weiterzumachen.“
Gegen das Unsichtbarmachen
Sarai ist Theologin und Kirchengemeinderätin in Cardenas, 150 Kilometer östlich von Havanna. Sie kämpft für Diversität und gegen Rassismus. Die Gemeinde, die sie gemeinsam mit ihrem Mann, Pastor Alison leitet, wurde einst von weißen Nordamerikanern gegründet und war lange Zeit von konservativen, rassistischen Strukturen geprägt.„Wir haben hier eine weiße, konservative Gemeinde vorgefunden“, erzählt Sarai. „PoC-Menschen werden unsichtbar gemacht. Schon im Kindergarten erleben Kinder Rassismus. Die Geschichte Kubas ist eine Geschichte der Weißen: Die einheimische Bevölkerung wurde ausgerottet, und die Schwarzen wurden als Sklaven importiert. Über die Befreiungskämpfe der Sklaven und die Geschichte der Schwarzen wird nicht gesprochen.“
Mit Sarai hat sich die Gemeinde in den letzten zwölf Jahren verändert. Heute spricht man offen über die Erfahrungen von PoC-Menschen, feiert Feste zur Stärkung ihrer Identität und zeigt Kindern, dass sie nicht gezwungen sind, ihre Haare oder ihren Körperbau anzupassen. „Es ist ein langsamer Prozess“, sagt sie, „aber in Gottes Augen sind wir alle gleich wertvoll.“
Hoffnung auf der Farm
In Santa Marta, einem kleinen Vorort von Varadero, sind die Menschen besonders hart von der Krisebetroffen. Um den Touristen in den Hotels eine stabile Stromversorgung zu garantieren, wird in den umliegenden Wohngebieten der Strom oft noch häufiger abgeschaltet. „Der Staat weiß genau, dass die Menschen hier nicht rebellieren werden. Sie haben keine Kraft mehr“, erzählen uns vier Frauen, die uns bei unserem Besuch empfangen.
Diese vier Frauen –Ärztin Ludmila, Tierärztin Aldeyeni, Erzieherin Susset und Architektin Yohani – haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Not der Menschen in Santa Marta zu lindern. Sie besuchen Familien zu Hause, organisieren Lebensmittel und Medikamente und kümmern sich um die Bildung der Kinder. Die Strecken zwischen den Dörfern legen sie meist zu Fuß oder mit dem Roller zurück, manchmal nehmen sie hilfsbereite Dorfbewohner mit.
Ein besonders eindrucksvolles Projekt ist die kircheneigene Farm, die unter der Leitung der Tierärztin Aldeyeni steht. Auf 26 Hektar Land, das die Kirchengemeinde bewirtschaftet, haben sie 2000 Bananenstauden gepflanzt und mit Hilfe von Partnerkirchen 25 Kühe angeschafft. Die Farm hat eine doppelte Funktion: Ein Teil der Produkte wird verkauft, um dringend benötigte Mittel für die Kirchengemeinde zu generieren, während der größere Teil an bedürftige Familien verteilt wird.
„Milchprodukte sind in Kuba Mangelware“, erklärt Aldeyeni. „Vor allem Kinder leiden darunter, da ihre Ernährung oft einseitig ist. Durch die Farm können wir zumindest den ärmsten Familien regelmäßig Milch geben.“ Neben der Milch kümmern sie sich auch um die Verteilung von Bananen und anderen Erzeugnissen an die Menschen, die es am nötigsten brauchen. Doch der Betrieb der Farm ist nicht einfach. Immer wieder gibt es Probleme mit der Versorgung von Futtermitteln und der Pflege der Tiere. Die Frauen arbeiten mit wenigen Mitteln, improvisieren und finden kreative Lösungen, um den Betrieb am Laufen zu halten. „Wir tun, was wir können, aber oft sind es kleine Wunder, die uns durchhalten lassen“, sagt Aldeyeni. Die Frauen wissen, dass ihre Arbeit nicht nur lebensnotwendige Unterstützung bietet, sondern auch ein Zeichen der Hoffnung ist. „Wir können die Krise nicht lösen, aber wir können den Menschen zeigen, dass sie nicht allein sind“, sagen sie.
Hoffnung im Alltag
Im vergangenen Jahr verließen rund eine Million Menschen Kuba, darunter viele gut ausgebildete junge Fachkräfte. Zurück bleiben vor allem ältere und schwächere Menschen, die sich mit einem Alltag voller Entbehrungen arrangieren müssen. Das Land kämpft mit einem politischen System, das seit Jahrzehnten von zentraler Kontrolle geprägt ist und wirtschaftliche Herausforderungen mit sich bringt. Hinzu kommt das US-Embargo, das den Zugang zu wichtigen Importen erschwert. Grundlegende Dinge wie Strom, Wasser, Lebensmittel oder Medikamente sind oft nur unregelmäßig verfügbar, was den Alltag zu einem ständigen Überlebenskampf macht.Trotz dieser Umstände lassen sich die Frauen, die ich getroffen habe, nicht entmutigen. Sie akzeptieren den Status quo nicht, sondern suchen nach Wegen, die Situation in ihren Gemeinden zu verbessern. Trotz staatlicher Restriktionen und internationaler Isolation schöpfen sie aus ihrem Glauben und ihrer Gemeinschaft die Kraft, weiterzumachen. ‚Im Tun und Dienen liegt der Sinn des Lebens‘, sagt Anais. Diese Worte sind ein Zeugnis der Menschen auf Kuba, die auch inmitten von Dunkelheit und Hoffnungslosigkeit kleine Lichter der Zuversicht entzünden. Besonders Frauen tragen die Last der täglichen Herausforderungen und sorgen dafür, dass Kuba nicht in Dunkelheit versinkt. Sie sind es, die den Funken der Hoffnung am Leben erhalten – das wahre Licht in den dunkelsten Momenten.“
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