Die unheilige Heilige Familie


 Lukas 2, 16 So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag.

Jedes Jahr am Heiligabend stelle ich die alte Playmobil-Krippe meiner Kinder auf dem Fensterbrett auf. Maria in einem goldblauen Kleid und weißem Kopftuch, Josef in seiner Zimmermannskluft und zwischen ihnen eine kleine Krippe mit dem Baby. Ohne Windeln, mit Plastikstroh. Und sie sind alle dabei: die drei Weisen aus dem Morgenland mit Geschenken im Weihnachtspapier verpackt, Touristen mit Fotoapparaten, eine Ärztin und eine Hebamme mit Arztkoffern und einem Krankenwagen. Zwei Engel ganz in der Ecke und sogar ein Schneemann. Ein Ochs, ein Esel, zwei Schafe und ein Waschbär sind auch dabei. Und natürlich ein geschmückter Weihnachtsbaum. Der gehört dazu. Und Schnee. Die Hirten sind wohl noch völlig verstört irgendwo unterwegs von ihren Herden zu der Pappkartonkrippe und wiederholen die Worte der Engel: „Fürchtet euch nicht“. Über der ganzen Szenerie leuchtet ein roter Herrnhuter Stern und überall stehen kleine Teelichter. Damit es hell wird bei dem Kind.

Ich mag meine heilige, unheilige Krippe mit zu viel Plastik, mit den unrealistischen Bildern und mit all den erfundenen Geschichten. Ich mag diese bunte Gesellschaft, die sich bei dem Kind versammelt hat. Ich mag diese große Patchworkfamilie, die so lebensnah ist. Ich denke dabei an den Wittwer mit seinen drei kleinen Kindern. Und an das geschiedene Ehepaar, das sich nicht einigen kann, wer mit wem in diesem Jahr feiert. An die junge Familie, die völlig übermüdet ist, weil das drei Monate alte Baby unruhig ist und viel schreit. Und an die große Tochter im Ausland. Und die alte Mutter im Seniorenheim.

Wir alle haben Platz an diesem Hoffnungsort, an dem Gott als Baby auf die Welt kommt. Dort können wir sein, wie wir sind. Dort werden wir gesehen und geliebt. Dort wird unsere Sehnsucht gestillt, die Angst umarmt, die Fehler vergeben, die Brüche vergoldet und die Narben geheilt. An diesem heiligen Ort, an dem Gott wohnt, werden wir heil.

Am 24.12.2021 für www.advent-online.de 

 


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