Happy Birthday Friederike!
Vielleicht würden wir kurz auf die Vergangenheit eingehen: „Weißt du noch, damals…?“
Friederike war seit 1983 ein wichtiger Teil meines Lebens. Sie war meine „Patin“. Keine Taufpatin, sondern eine Unterstützungspatin. Sie hatte mich von ihrer Mutter geerbt.
Ich bin als Pfarrerstochter in der Tschechoslowakei groß
geworden. Auch damals gab es Organisationen wie das GAW oder HEKS (in der
Schweiz), die Christinnen und Christen hinter dem „Eisernen Vorhang“
unterstützen. Friederikes Mutter hatte sich zum runden Geburtstag eine Patenschaft
für ein Pfarrerskind in der Tschechoslowakei, das sie finanziell unterstützen
kann, gewünscht. Und dieses Kind war ich.
Die finanzielle Situation von Pfarrersfamilien in der
Tschechoslowakei war schwer. Das durchschnittliche Gehalt der Menschen lag bei
2.300 Kronen, Pfarrer verdienten etwa die Hälfte. Deshalb musste meine Mutter
ebenso arbeiten, um die Familie über die Runden zu bringen. Deshalb war die
Patenschaft mit 50 Fr im Monat eine große Hilfe für uns. Funfact: man bekam das
Geld nicht in Devisen ausbezahlt, sondern in sog. Bons, die man in einem Geschäft
namens Tuzex ausgeben konnte. Dort gab es westliche Waren wie Elektronik
(Sony-Fernseher, Panasonic-Videorekorder), Markenkleidung (Levi’s, Adidas) oder
exklusive Lebensmittel (Milka-Schokolade, Nescafé-Kaffee) und Waschmittel
(Persil). Ich kann mich noch sehr genau an den Geruch des Ladens erinnern.
Nach dem Tod ihrer Mutter übernahm Friederike die Patenschaft
für mich und besuchte uns das erste Mal im Jahr 1983. Ich war gerade im
Schullandheim. Später erfuhr ich, dass meine Eltern ihr über mich erzählt
hatten, dass ich ein schwieriges Kind sei. „Und ich dachte – genau so ein Kind
will ich unterstützen“, erzählte mir Friederike später.
Zur Konfirmation schenkte sie mir eine Schweizer Uhr, die
mir leider gestohlen wurde. Und einen Geigenbogen. Weil sie meine musikalische
Karriere fördern wollte. Aus der Kariere wurde nichts. Den Bogen habe ich immer
noch.
Einige Tage verbrachten wir bei den beiden zu Hause in Basel, bevor
ich wieder nach Hause fuhr. Sie schenkten mir die für mich gezahlte Kaution,
damit ich mir euch etwas kaufen kann. Für 120 Fr kaufte ein Paar Rollschuhe für
meine kleine Schwester. Wofür ich den Rest ausgegeben habe, weiß ich nicht
mehr.
Ab da waren wir ständig im Kontakt. Im Jahr 1991 kam ich
nach Deutschland und wir telefonierten, schrieben uns Briefe, ich besuchte sie
in Basel, Graubünden oder in Bad Urach, wo sie mit Hans eine Reha machte. Unser
Verhältnis war nicht immer nur Sonnenschein. Einmal war sie so sauer auf mich,
dass Hans das Briefeschreiben übernehmen musste. Sie war immer eine ehrliche Begleiterin,
sagte, was sie dachte, und oft fragte sie: „Warum machst du dies oder das?“ Sie
unterstützte mich auf meinem Weg, egal, was für Mist ich gerade gemacht hatte.
Regelmäßig fuhr ich nach Basel, um sie zu besuchen. Stundenlang
konnten wir miteinander quatschen. Die Themen gingen uns nie aus. Hans zog sich dann immer ein bisschen zurück und ließ uns machen. Im Jahr 2011 kam
sie zu meiner Investitur in Gruibingen und war meine Zeugin. Ihre Rede habe ich
immer noch.
Wir haben oft miteinander telefoniert. Stundenlang! Deshalb die
Europa-Flat. Sie wusste alles über mich. Mehr als alle anderen Menschen. Sie
war mir eine Freundin und auch ein bisschen eine Ersatzmama. Sie verstand mich
oft nicht und ließ mich trotzdem machen.
An ihrem 90. Geburtstag vor zwei Jahren durfte ich bei den
Feierlichkeiten dabei sein. Ich bin froh und dankbar, dass ich ihr dort öffentlich
sagen konnte, was sie mir bedeutet hat.
Sie starb am 21. April 2024 während ich in der Reha war.
Meinen Brief von dort hat sie nicht mehr öffnen können. Ich bin ihren Kindern
dankbar, dass ich bei der Trauerfeier dabei sein konnte und gut Abschied nehmen
konnte. Auch wenn sie nicht mehr da ist, höre ich oft noch ihre Stimme in
meinem Kopf. Ihr Nachfragen, ihr Lachen, ihre Ehrlichkeit. Und immer wieder
frage ich mich: Was würde sie jetzt dazu sagen?
Happy Birthday in den Himmel, liebe Friederike!
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