DANKBAR

Heute ist es genau ein Jahr her, seit ich aus der Tübinger Uni-Klinik nach einer komplizierten und nicht ungefährlichen Operation entlassen wurde. Siebeneinhalb, statt der geplanten vier Stunden, lag ich auf dem OP-Tisch, 45 Knoten wurden mir im Gesicht, am Hals, an der Ohrspeicheldrüse, hinter und vor dem Ohr herausoperiert. „So etwas ist mir in meiner jahrzehntelangen Praxis noch nicht untergekommen“, sagte der Oberarzt, als er abends zu mir ins Zimmer kam, um mich zu informieren, dass die Knoten mit hoher Wahrscheinlichkeit alle gutartig seien. Eine bewundernswerte Präzisionsarbeit, die er da leistete. Ich sah trotzdem schrecklich aus. Meine rechte Gesichtshälfte war geschwollen, blau und gelähmt. Nichts hat funktioniert. Das Auge konnte ich nicht schließen, die Backe nicht aufblasen und auch nicht lachen – nur schief- alles fühlte sich taub an. Das Essen fiel mir aus dem Mund, trinken ging nur mit einer Schnabeltasse.

„Ein Jahr müssen Sie mit einer Rückbildung rechnen“, sagten die Ärzte, „der Gesichtsnerv ist beleidigt und muss sich erholen.“ Es ging alles fürchterlich langsam. Zweimal in der Woche Physiotherapie, regelmäßige Kontrollen in der Augen- und HNO-Klinik, Augenklappen- und Cremes, Gesichtsmuskeltraining, Narbenbehandlung und immer das Gefühl, es passiert nichts.  

Warum ich das erzähle?

Weil ich weiß, dass das alles nicht selbstverständlich ist.
Weil es ein Sechser im Lotto ist, in Deutschland leben zu dürfen.
Weil ich unendlich dankbar bin.

DANKBAR, 

dass die Operation trotz Corona durchgeführt werden konnte.
dass die Knoten auch nach weiteren Untersuchungen gutartig waren.
dass das Pflegepersonal trotz extremer Überlastung freundlich und hilfsbereit war.
dass ich in einem Land leben darf, in dem die medizinische Versorgung so gut ist. 
dass ich eine Krankenversicherung habe, die solche Behandlung übernimmt.

Dankbar für all die Menschen, die für mich gebetet, an mich gedacht und mich unterstützt haben.
Dafür, dass Gott mich durchgetragen hat.   

Heute ist es genau ein Jahr her und ich kann wieder lachen. Fast so wie vorher. Gott sei Dank!

Am Tag nach der OP (2021)

Entlassungstag  (2021)

Entlassungstag (der Wein landete hauptsächlich am Kleid)

Heute - ein Jahr nach der OP (2022)




Kommentare

  1. 😊 wie schön, Maddalena!

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  2. Ich wünsche dir alles Liebe und Gute weiterhin, dass alles vollends gut verheilt und nichts Neues nachfolgt. Sei dem Herrn befohlen, seinem Schutz und seiner Liebe.

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