Pfingsten - Demut und Liebe. Und Heiliger Geist!

Demut und Liebe sind das wichtigste im Leben, sagte Pater Romanos. Denn ohne Liebe ist alles nichts. Es war vor ziemlich genau fünf Jahren. Mit einem Frauenkreis machten wir in meiner alten Gemeinde eine Reise nach Korfu. Und dort hatten wir eine außergewöhnliche Begegnung, die bei mir bis heute nachklingt. Wir waren 15 Frauen von der Schwäbischen Alb und trafen zwei griechisch- orthodoxe Mönche zu einem Mittagessen in einer Taverna. Wir waren Menschen verschiedener Konfessionen, verschiedener Lebensentwürfe, verschiedener Sprachen und doch war diese Begegnung in einem Geist, der kaum in Worte zu fassen, kaum zu beschreiben ist. 

Pater Romanos, ein 75-jähriger Theologe erzählte über sein Leben. Sehr beeinflusst hat ihn der reformorientierte Patriarch Bartholomäos, das aktuelle Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Kirche. Zehn Jahre verbrachte er auf dem Berg Athos, bevor er vor über 30 Jahren in das Bergkloster auf Korfu zog. Sein Begleiter und Glaubensbruder Pater Anastasios, der einige Jahre jünger ist, kümmert sich um sein Wohl-ergehen und leitet die Geschicke des Klosters. Sie leben dort zu zweit, doch sie sind offen und aufgeschlossen. Für andere Menschen, andere Religionen, andere Meinungen. Sogar für uns Frauen.

Lang saßen wir zusammen, sie erzählten. Über das alltägliche und das religiöse Leben im Kloster, über Filme und Technik, über Diäten und Askese. Die beiden strahlten eine unheimliche Ruhe und Gelassenheit, große Demut und ganz starke Liebe aus. Am Ende sangen und beteten wir gemein-sam. Wir wurden reich beschenkt. Mit kleinen Dingen und mit großen Gesten. 

Ein Mensch, der liebt, schaut die Welt anders an. Ein Mensch, der liebt, sieht durch eine andere Brille. Er schaut seine Mitmenschen, die Welt mit liebenden, mit Gottes Augen an. Ein Mensch, der liebt, ist offen, er kann Liebe teilen, indem er sie verschenkt. Ein liebender Mensch strahlt etwas Besonderes aus. Er trägt in sich etwas vom Geist Gottes. So haben wir es bei dieser Begegnung erlebt.  Weder die Sprache noch die Konfession noch unsere unterschiedlichen Lebensentwürfe haben eine Rolle gespielt. Wir begegneten uns im Geist Gottes, wir begegneten uns in Liebe.

So wie es im 1. Korintherbrief 2,12-16 steht: Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, damit wir wissen, was uns von Gott geschenkt ist. Und davon reden wir auch nicht mit Worten, welche menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen. Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was vom Geist Gottes ist; es ist ihm eine Torheit und er kann es nicht erkennen; denn es muss geistlich beurteilt werden. Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber von niemandem beurteilt. Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer will ihn unterweisen«? (Jesaja 40,13) Wir aber haben Christi Sinn.

Das sind Worte aus dem Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth. Wenn dort alles in Ordnung gewesen wäre, hätte Paulus keine Briefe schreiben müssen. Aber in Korinth war in der Gemeinde einiges durcheinandergeraten. Es gab Gruppen, die haben die Wahrheit für sich gepachtet. Sie fühlten sich als Teil der himmlischen Welt und wurden überheblich und selbstgefällig. Sie schauten verächtlich auf die anderen, auf Paulus und seine Mitarbeiter herab. „Ich darf alles und ich weiß alles besser“, das war ihr Motto. 

(Hand aufs Herz - nicht dass uns diese Verhaltensweisen fremd wären…)

Und Paulus sagt: „Moment, da wo soviel Missstände herrschen, so viel Uneinigkeit, soviel Selbstherrlichkeit, da kann nicht Christus in der Mitte sein. Denn all das steht in einem absoluten Gegensatz zu dem, was Jesus sagte und lebte. Wir sind nicht hier um unseres selbst willen, wir sind ein Teil der Gemeinschaft. Und in solch einer Gemeinschaft soll Geist Gottes spürbar sein. Oder mit den Worten des Paters Roma-nos: Liebe und Demut!

Wenn Gottes Geist unter uns Menschen herrscht, da wird es pfingstlich. Wenn Gemeinschaft in Liebe, in gegenseitiger Achtung gelebt wird. Wenn Menschen füreinander da sind, sich gegenseitig unterstützen und tragen. Wenn Fehler und Besonderheiten bei anderem und bei mir selbst einfach akzeptiert werden. Pfingsten ist miteinander teilen, sich mitteilen - Erlebnisse, Kummer und Freude. So können wir es erleben - nicht nur bei so einer Reise, wie wir sie damals machten, sondern an vielen Stellen – auch hier in der Gemeinde. Ob es das gemeinsame monatliche Singen ist – oh ja, beim Singen kann eine besondere Gemeinschaft entstehen. Oder beim Bibelgespräch, beim gemeinsamen Lesen, Tanzen, beim Seniorencafé, ja auch bei der Vesperkirche. 

Wo Geist Gottes weht, da entsteht etwas Besonderes. Menschen hören einander. Sie nehmen sich wahr. Sie nehmen sich an – ohne Rücksicht auf Umstände, Konfession, Ge-schlecht, Herkunft, Sprache oder Lebensentwurf. Wo Geist Gottes weht, da ist Liebe und Demut. Da ist nicht immer alles nur friedlich und einfach, aber wo Geist Gottes ist, dort lassen sich Dinge klären, besprechen, da kann einander vergeben und neu begonnen werden. Wo Geist Gottes ist, wird aus Unsicherheit Klarheit, aus Gegeneinander ein Miteinander. Da wird der Weg von Gott ge-ebnet und begleitet. Wenn wir hinhören, wenn wir stille werden, wenn wir uns darauf einlassen.

Am Ende vom Brief beschreibt Paulus, wie er eine solche Gemeinschaft, eine Kirchengemeinde versteht. Wie ein Leib und viele Glieder. Eine Einheit und viele Teile davon. Viele Menschen mit Begabungen und Fähigkeiten, die sich einsetzen können. Nicht jeder muss alles können, doch wenn jeder etwas beiträgt, da wächst etwas, da passiert Gutes. Da kann eine zuhören, anderer Freude ausstrahlen, trösten, dekorieren, organisieren, Schriftlesung machen, die eine passt auf, dass alle genug zu essen haben, ein anderer kümmert sich um Kranke. 

Und wir sind aufeinander angewiesen. Was nützt es mir, wenn ich kranke pflegen kann, es aber keine Kranke gibt. Oder ich kann gut zuhören, aber keiner spricht mit mir. Gemeinschaft ist ein Geben und Nehmen, sich einsetzen und auch etwas empfangen. Das kann ich nicht allein für mich tun.

Am Ende vom Brief schreibt Paulus: „Was nützt es mir, wenn ich all das kann, aber keine Liebe habe. Sogar wenn ich die Sprache der Engel sprechen würde und es wäre ohne Liebe - bin ich nur „ein dröhnender Gong oder wie ein scheppern-des Becken“. (BasisBibel) (* Tönendes Erz oder eine klingende Schelle (Lutherbibel)

Was also bleibt, was uns trägt, was unsere Gemeinschaft festigt, sind Glaube, Hoffnung, Liebe – diese drei. Doch am größten von ihnen ist die Liebe.

Predigt am Pfingstsonntag 2023 in der Tübinger Martinskirche. 



Kommentare

  1. So ein wunderbarer Text über eine wunderbare Begegnung auf einer wunderschönen Reise! Ich wünsche. Ich wünsche mir und uns allen ganz ganz viel Pfingsten! Und Gemeinschaft! Und Liebe!
    Danke für diese Erinnerung an eine ganz besondere Begegnung!

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