Warum ich Deutsche geworden bin
Sehr
geehrter Herr Landrat Wolff, sehr geehrte Frau Ministerialrätin Hüfner,
liebe Gäste,
herzlichen
Dank für die Einladung und auch die Möglichkeit hier ein paar Worte zu sagen zu
meiner persönlichen Entscheidung, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen.
Es ist schon
mehr als 25 Jahre her, als ich nach Deutschland kam. Ich hatte nicht vor zu
bleiben – zwei Dinge hatte ich im Sinn: ich wollte die Sprache lernen und ich
wollte Erfahrungen sammeln… doch es kam anders. Und zwar deutlich anders als
ich dachte.
Deutsche
Sprache habe ich eigentlich nicht gelernt. Mein erster Wohnort war in Stuttgart
und mir begegneten Worte und Sätze, zum Teil auch grammatikalische
Besonderheiten, die ich so in der Schule nicht gelernt hatte. „Bischaloi“,
fragte mich einer in einem Café und ich muss zugeben, ich hatte keine Ahnung,
was er von mir wollte. Ebenso der Satz „mir ganget fort“ war mir ziemlich
rätselhaft. Deutsch wurde es nicht, dafür aber Schwäbisch. Und dafür bin ich
dankbar, denn in meinem Beruf als evangelische Pfarrerin auf der schwäbischen
Alb ist das deutlich von Vorteil.
Und entgegen
der Planung, wieder in meine Heimat zurück zu kehren, bin ich in Deutschland
geblieben. Wo die Liebe hinfällt, so sagt man. Ich habe hier geheiratet, mein
erstes Studium absolviert und zwei Kinder bekommen.
Die Kinder sind zweisprachig aufgewachsen und besitzen die doppelte
Staatsbürgerschaft.
Für mich gab
es ganze 25 Jahre keinen Grund, deutsch zu werden. Ich fühle mich als
Europäerin mit zweisprachigen Kindern, mit spannenden europäischen
Wurzeln – eben in Deutschland lebend und arbeitend. Es gab für mich weder einen
Vorteil noch einen Nachteil. Außer, dass ich nicht wählen durfte. Das hat mich
zwischendurch geärgert, aber nur alle 4-5 Jahre. Zur Kommunalwahl bin ich
selbstverständlich gegangen.
Doch dann kam im letzten Jahr (2015) der Satz „wir schaffen das“ von Angela Merkel. Und damit auch meine Entscheidung :
Ja, ich bin froh und dankbar, dass ich in einem Land leben darf, in dem die
christlichen Werte der Nächstenliebe von
offiziellen Stellen verteidigt werden. Ich bin dankbar, dass ich mich für eine
christliche Einstellung, für meinen Glauben an Gott und an eine bessere Welt
nicht rechtfertigen muss. Ich bin dankbar für die Menschen, die es ebenso
handhaben.
Ja, diese
Frau – die für diese Werte steht - die ist auch meine Kanzlerin und sie soll
meine Stimme haben. Ihre Partei ist zwar nicht meine Partei, aber ihre Haltung
ist auch meine Haltung. Und ich bin sehr froh, dass sie diese verteidigt –
trotz aller Kritik.
Ich lebe in
diesem freien, demokratischen, christlichen Land und ich bin dankbar, dass ich es
mitgestalten kann. Bisher im privaten und beruflichen Bereich, ab sofort auch
im politischen – denn, wie gesagt – ich darf ab sofort wählen.
Das heißt
aber nicht, dass ich damit meine tschechische Identität abgegeben habe.
Äußerungen aus Bayern über die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft
ärgern mich. Diese Menschen haben nichts verstanden. Ja, ich bin jetzt deutsch,
ich bin integriert, ich beherrsche die Sprache (inzwischen auch Hochdeutsch),
ich arbeite hier, verdiene mein Geld, zahle Steuern und wähle.
Aber ich bin
in Tschechien (CSSR) geboren, dort lebt der Großteil meiner Familie, dort sind
meine Wurzeln, meine Erinnerungen, meine Kindheit und Jugend, meine Freunde.
Die tschechische Sprache ist meine Muttersprache, Prag ist der Ort meiner
Kindheit, die Kirche der böhmischen Brüder ist meine geistliche Grundlage. Die
Tschechische Republik ist und bleibt ein Teil von mir. Auch wenn ich im Moment
nicht mit der Politik dort einverstanden bin, wenn ich in Gesprächen immer
wieder anecke, wenn ich mich durchaus ärgere.
Tschechien
ist für mich die Heimat im emotionalen Sinn, Deutschland ist nach und nach meine
gewachsene, alltägliche Heimat geworden. Und zwar das Deutschland, das ich
jeden Tag neu erleben darf. Mit allen Schwierigkeiten, mit allem Ringen um
Freiheit, Demokratie und Offenheit.
Eine kleine,
aber bedeutende Geschichte passierte in den letzten Tagen:
In
Gruibingen wurden uns im Laufe des Jahres etwa acht Flüchtlingsfamilien zugeteilt.
Mit verschiedenen Geschichten, verschiedenen Hintergründen. Inzwischen sind
zwei Familien anerkannt worden und dürfen aus der Gemeinschaftsunterkunft
ausziehen. Mit unserem Netzwerk für gute Nachbarschaft waren wir auf der Suche
nach Wohnungen. Was mir begegnete, hat mich zum Teil sehr erschüttert –
Ablehnung, Hass, Unverständnis.
Doch dann
erlebte ich auch eine sehr berührende Geschichte. Am Freitag schauten wir uns
eine Wohnung in Wäschenbeuren an. Eine junge Italienerin – übrigens mit einem
Türken verheiratet - hat uns sehr freundlich empfangen und sagte uns diese
Wohnung zu mit den Worten: „Uns wurde damals auch geholfen und das wollen wir
weitergeben. Wir helfen, wo wir helfen können“.
Das ist für
mich Deutschland, wo Menschen verschiedener Kulturen, Religionen, Hautfarben
und Herkunftsländern miteinander leben, füreinander da sind, sich gegenseitig
helfen. Das ist Nächstenliebe (egal, wie unsere eigene Religion heißt).
Das sind die Werte, die unser Abendland prägen und die zu verteidigen sich auf
jeden Fall lohnt. Das ist für mich Deutschland. Und ich bin jetzt ganz
offiziell ein Teil davon.
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